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Rauschen in Blau

Der Bildhauer und Maler Stefan Pietryga wurde in Nordrhein-Westfalen geboren und absolvierte sein Studium an der renommierten Kunstakademie Düsseldorf. Bereits in jungen Jahren erhielt er den deutschen Kunstpreis „Forum Junger Kunst“ und wurde bundesweit in Museen und Kunsthallen gezeigt. Seine Werke bereichern öffentliche Räume verschiedener deutscher Städte und begeistern Sammler in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, der Schweiz, Italien, den USA, Kanada und anderen europäischen und amerikanischen Ländern. Seit dem Jahr 2000 hat Stefan Pietryga zudem in China gewirkt, beginnend mit einem internationalen Bildhauersymposium in Hui’an und mit erfolgreichen Einzelausstellungen in chinesischen Städten wie Peking, Shanghai und Tianjin. Er erfreut sich auch dort großer Beliebtheit.  

Der Künstler wählt verschiedene Schattierungen von Blau als Hauptthema seiner Kunst. Diese Blautöne reichen von edlem und mystischem Ultramarin über das strahlende Blau der Meeresoberfläche im Glanz des Sonnenlichts bis hin zum Himmelblau nach einem Regenschauer. Blau symbolisiert Ruhe und Weite, Frieden und Gelassenheit – eine geschützte und gesegnete Farbe. Es erinnert an die edle Eleganz und zugleich die zarte Barmherzigkeit der Heiligen Mutter, und gleicht dem stillen, tiefgründigen Ozean, der gleichzeitig kraftvoll ist. 

In der Kunst des mittelalterlichen Europas galt Ultramarin als die kostbarste Farbe, hauptsächlich aus natürlichem Lapislazuli gemahlen. Sein Ursprung war damals auf Afghanistan beschränkt, was seine Gewinnung äußerst schwierig machte und seinen Preis zeitweise auf das Fünffache des Goldes hob. Aufgrund seiner Kostbarkeit, Seltenheit sowie der ruhigen, eleganten und faszinierenden Farbe wurde es oft in religiösen Gemälden für die Gewänder der Heiligen Mutter und Jesu verwendet, was Heiligkeit, Reinheit und Würde symbolisiert. Im religiösen Kunststil des Ostens wurde die Kopffarbe von Buddha ebenfalls oft mit Ultramarin dargestellt, um die Transzendenz und die Weisheit zu betonen.  

Ab dem 17. Jahrhundert brachte der niederländische Maler Jan Vermeer diese königliche Farbe von den Altären hinunter auf den Alltag, indem er sie großzügig in seinen Gemälden einfließen ließ, die das Alltagsleben der einfachen Menschen zeigten. Beispiele hierfür sind seine Werke „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“ und “ Dienstmagd mit Milchkrug „, in denen das aus Lapislazuli gewonnene Ultramarin großflächig verwendet wurde. In Vermeers Gemälden verliert das Blau seine Aura von Adel und Heiligkeit und enthüllt eine schlichte, sanfte Anmut.  

In seiner Skulpturenreihe „Pappeln“ verwendet Stefan Pietryga ein leuchtendes Ultramarin, um dem Werk eine elegante und feierliche Atmosphäre zu verleihen. Diese lebendige blaue Farbe verstärkt die Erhabenheit des Werkes. Die im Wind wiegenden Pappeln vermitteln ein Gefühl aufstrebender Schönheit gotischer Architektur, als ob sie Himmel und Erde, die Welt der Götter und die der Menschen miteinander verbinden. Das Rauschen der Pappeln im Wind scheint ebenfalls zum Greifen nah zu sein. 

Obwohl Stefan Pietryga durch seine Skulpturen bekannt wurde, erregen auch seine Gemälde gleichermaßen Aufmerksamkeit. In seinen Aquarellwerken versammeln sich unzählige individuelle Figuren in verschiedenen Blautönen zu einer endlosen Menschenmenge. Sie haben unterschiedliche Formen und schlendern durch ihre eigenen Zeitspannen, ganz so wie wir in der geschäftigen Welt um uns herum. Doch diese unermüdlichen Weltwanderer sind keineswegs mechanisch monotone Wiederholungen, sondern lebendige Individuen. Gerade diese einzigartigen Seelen vereinen sich zu einem imposanten Ganzen, das äußerlich zwar Ähnlichkeit zeigt, jedoch in sich eine Fülle von Unterschieden und einzigartiger Schönheit birgt. Stefan Pietryga vereint die Noblesse des Blaus perfekt mit der Schlichtheit in seiner künstlerischen Kreation und präsentiert eine sehnsuchtsvolle Ruhe und Fantasie. 

Die Schafherde in der Ausstellung entstammt der Skulpturenserie „Entdeckung“ des Künstlers. Diese steht in Verbindung mit der Geburt Jesu. Als Jesus geboren wurde, waren die Schafe neben seinen Eltern die ersten Zeugen dieses kleinen Babys. In Stefan Pietrygas Werken symbolisiert die Schafherde die Entdeckung neuer Dinge; gleichzeitig symbolisiert das Lamm in der christlichen Kultur die Unschuld und Reinheit als Abbild des Gottessohns – Jesus Christus. Stefan Pietryga überträgt das vertraute religiöse Motiv bewusst in die Atmosphäre der Gegenwartskunst.  

Die Schafe scheinen still in den weiten blauen Raum zu lauschen, in Erwartung, etwas Neues zu entdecken. 

(Text: Dr. Meng Schmidt-Yin)